erstellt: 14.01.2009
Update: 27.05.2010
Extra-Blatt
Kettenbrief: Schande über Dänemark
Im Januar 2009 wird mit Kettenbrief-artig verbreiteten Mails pauschal Stimmung
gegen Dänemark und die Dänen gemacht. Unter dem Titel „Schande über Dänemark“ oder auch
„Schande über Dänemark's junge Männer“ wird in tendenziösem Stil kolportiert, in Dänemark
würden Delfine auf grausame Weise abgeschlachtet. Dabei wird jedoch, bei aller verständlichen Kritik, einiges
falsch dargestellt. Enthalten sind mehrere Fotos, die das angeprangerte Geschehen illustrieren sollen.
Originaltext
Es ist unglaublich aber leider wahr! Jedes Jahr werden diese Delphine brutal abgeschlachtet,
weil diese junge Männer beweisen wollen, daß sie erwachsen sind!
Diese superintelligente Delphine haben keine Scheu, die nähern sich Menschen aus reiner Neugierde!
Leitet die Mail weiter! Laßt diese Schande über Dänemark bekannt werden. Vielleicht hört dann
dieser Wahnsinn auf!
Zusatz zu einer offenkundig aus Österreich stammenden Variante:
Komisch das sich niemand in der EU darüber aufregt… wenn so was Österreich machen würde was
glaubt ihr was da los wäre, wie die dummen piefke über uns herziehen würden…
Aber in der EU darf ein jeder alles machen nur nicht Österreich da passen schön alle auf um
dann über uns herzufallen…
Alle sind in der EU gleich, außer halt uns…
Richtig ist, ...
dass es um die mit keiner Silbe erwähnten Färöer (-Inseln) geht, die zwischen Island und Norwegen im Atlantik
liegen. Dort gibt es eine inzwischen auch unter den Einheimischen (den Färingern) umstrittene Tradition der
Jagd auf Grindwale, eine Delfinart. Die beim so genannten "Grindadráp" praktizierten Methoden zum Fangen und
Töten der Grindwale werden von Kritikern als grausam und blutrünstig dargestellt. Es handelt sich beim
Grindadráp nicht um eine Art Initiationsritus für junge Männer und auch nicht um kommerziellen
Wal- bzw. Delfinfang im Sinne einer industriellen Ausbeutung natürlicher Ressourcen. Die in den Mails
enthaltenen Fotos sind (soweit das feststellbar ist) echt, dürften jedoch ohne Kenntnisse über die Methoden
beim Grindadráp ein verzerrtes Bild beim Betrachter erzeugen.
In der deutschen Wikipedia werden die traditionellen Methoden des
Grindadráp
und deren heutige Ausprägung umfassend beschrieben sowie Pro und Kontra ausführlich gegenüber gestellt.
Die
Färöer
gehören, ähnlich wie Grönland, als eigenständige Nation zum Königreich Dänemark. Sie sind jedoch nicht
Mitglied der EU, unterliegen also nicht den EU-Gesetzen. Klingt seltsam, ist aber so. Vor allem jedoch sind
die Färinger keine Dänen (und wollen es auch nicht sein) – ebenso wenig wie die Inuit (Eskimos) in Grönland.
Aus dieser politischen Realität ergibt sich, dass Dänemark (und erst recht die EU) rechtlich wenig bis
keinen Einfluss auf die Färöer haben. Es ist also völlig unangemessen die Dänen pauschal für die
angeprangerten Methoden beim Grindadráp verantwortlich zu machen.
Vor allem deshalb steht dieser Kettenbrief in der Hoax-Liste.
Dass es den kritisierten Walfang auf den Färöern gibt, ist umbestritten - ebenso, dass es legitim ist dagegen
in angemessener Weise zu protestieren.
Kettenbriefe sind kein adäquates Medium zur Kommunikation seriöser Anliegen.
Update Mai 2010
Seit einiger Zeit ist eine andere Variante dieses Kettenbriefs im Umlauf, in der die Grindwale z.T. als
"Calderon-Delfine" bezeichnet werden. Damit verbunden ist eine Art →Kettenbrief-Petition, d.h.
jeder soll seinen Namen vor dem Weiterleiten auf eine enthaltene Liste setzen. Welchen Sinn das haben soll,
geht aus dem Text nicht hervor.
|