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erstellt: 11.11.2009
Update: 09.11.2010
Extra-Blatt
Die Schweinegrippe
Gerüchte, Mythen, Verschwörungstheorien
Seit ein paar Wochen ist eine starke Zunahme der Zahl kursierender Kettenbriefe
zu verzeichnen, die sich mit der so genannten "Schweinegrippe" (Neuer Influenza A/H1N1, Porzine
Influenza, Neue Grippe, Mexikanische Grippe) befassen. Die Mails sind keineswegs alle mehr oder weniger identisch
sondern bilden zumindest einen Teil des breiten existierenden Spektrums der Meinungen ab. Sie bilden namentlich
den Teil des Meinungsspektrums ab, der vor der Impfung warnt – der andere Teil ist nicht vertreten. Das
geht bis zu extremen Positionen, nach denen die Neue Grippe entweder ein Hoax sei („es gibt gar keine
Viren“) oder die Virenstämme extra gezüchtet worden seien, um die Menschheit durch Zwangsimpfungen
(mit dem Erreger, mit Nano-Chips, mit Giftcocktails) zu dezimieren oder gar auszurotten.
Insgesamt zeichnet die Flut der E-Mails, auch der hier eingehenden Anfragen dazu, ein Bild der großen
Verunsicherung, die bei den Menschen herrscht. Soll man sich impfen lassen oder lieber nicht? Oder erstmal
abwarten? Welche Nebenwirkungen hat der Impfstoff? Wie gefährlich ist die Neue Grippe? Was von dem, das in
den Medien berichtet wird, stimmt wirklich? Warum streiten sogar die Experten? Fragen über Fragen –
und keine klaren Antworten. Oder doch? Schaumermal...
Zunächst gilt es erst einmal fest zu halten, dass vieles von dem, das in den
Kettenbrief-artig verbreiteten E-Mails behauptet wird, schlicht Unfug ist. Nicht alles – vieles.
Manches ist sogar grober Unfug. Auch die Anhänger von Verschwörungstheorien haben ein neues Steckenpferd für
sich entdeckt – die Schweinegrippe (vergleiche Vogelgrippe).
Fangen wir mal ganz vorne an.
- Grippe-Viren
- Viren gibt es. Punkt. Man kann sie mit geeigneten Mikroskopen angucken, man kennt ihre Wirkungsweise.
Kurz gesagt programmieren sie Körperzellen um, in dem sie ihr eigenes Erbgut einschleusen, sodass die Zellen
dann Viren produzieren. Weil klassische Computer-Viren so ähnlich funktionieren, werden sie so genannt.
- Eine echte Grippe (Influenza) wird durch Viren ausgelöst. Normale Grippe-ähnliche Infekte werden hingegen
oft durch Bakterien verursacht. Nur gegen die helfen Antibiotika, nicht jedoch gegen Viren. Es gibt zudem eine
ganze Reihe von vergleichsweise harmlosen Erkältungsviren. Eine typische Influenza verläuft nahezu schlagartig
– Sie gehen abends scheinbar kerngesund ins Bett und wachen morgens mit hohem Fieber (> 38,5 °C) auf.
- Der Name "Schweinegrippe" kommt tatsächlich daher, dass dieser Virenstamm (wie wohl auch
die Spanische Grippe 1918/19) vorwiegend bei Schweinen zu finden war und ist.
- Es sterben keineswegs jedes Jahr über 10.000 Menschen in Deutschland an der saisonalen Influenza.
Die Zahl der nachweislich ursächlich an Influenza gestorbenen Personen ist um Größenordnungen
geringer (vergleiche hierzu das Extra-Blatt zur Vogelgrippe).
- Mit Stand 22.12.2009 sind in Deutschland 132 Personen an der Schweinegrippe gestorben. Bis zu diesem Datum
wurden etwa 210.000 Infektionen mit "Neuer Influenza A/H1N1" gemeldet. Die Meldepflicht für
Verdachtsfälle ist inzwischen aufgehoben worden, Todesfälle sind weiterhin meldepflichtig.
- Impfstoff
- Ein Mann, 55, der in Thüringen in der Nacht vom 12. auf den 13. November wenige Stunden nach der Impfung
gegen die Neue Grippe verstarb, ist laut Obduktionsbericht vom 16.11. den Folgen eines erlittenen Herzinfarkts
erlegen. Bislang gibt es aus ganz Europa noch keine bekannten Fälle, in denen Menschen an der Impfung gestorben
sind.
- Es gibt mehrere Impfstoffvarianten, die zurzeit eingesetzt werden. Das in Deutschland für die Allgemeinheit
vorgesehene "Pandemrix" enthält Verstärkersubstanzen, "Celvapan" (für die
Bundeswehr, Bundespolizei und einige Bundesbeamte) nicht. Celvapan enthält ein inaktiviertes Antigen des Grippevirus
(Ganzvirus-Grippe-Impfstoff) und muss zweimal gegeben werden. Die Impfstoffe sind vor dem Einsatz getestet worden,
allerdings nicht in der gleichen Weise und Intensität wie sonst üblich. Sie sind jedoch weitgehend identisch mit
vielen anderen Grippeimpfstoffen aus früheren Jahren, abgesehen von der Erreger-spezifischen Komponente. Die
Nebenwirkungen der anderen Bestandteile sind also durchaus lange bekannt.
- Die Impfstoffe Pandemrix und Focetria enthalten keine kompletten ("lebenden")
Influenza-Viren sondern nur Fragmente des H1N1-Virus, damit das Immunsystem Antikörper bilden kann. Man kann
sich also bei einem frisch geimpften Menschen nicht anstecken (auch bei Celvapan nicht).
- Der Impfstoff Celvapan enthält keine Wirkverstärker. Außer dem deaktivierten Antigen des Virus
enthält es: Trometamol (Säurepuffer), Polysorbat 80 (Stabilisator), Kochsalz und Wasser.
- Der Impfstoff Pandemrix enthält neben einem inaktiven Fragment des H1N1-Virus ein
Adjuvans (Wirkverstärker)
namens "AS03". Dieser enthält pro Dosis (0,5ml): Squalen (10,69 mg) sowie die Stabilisatoren
DL-α-Tocopherol (11,86 mg) und Polysorbat 80 (4,86 mg).
- Ferner in Pandemrix enthalten sind Octoxynol 10, Thiomersal, einige anorganische
Natrium- und Kaliumsalze sowie destilliertes Wasser.
Thiomersal
ist eine schwefelhaltige organische Quecksilberverbindung und dient als Konservierungsmittel. Es kann
Kontaktallergische Reaktionen an der Einstichstelle (bei bestehender Allergie) hervor rufen. Ein früher
vermuteter Zusammenhang mit dem Auftreten von Autismus und anderen neurologischen Erkrankungen gilt heute
als widerlegt. Giftig ist es jedoch – es soll ja Keime abtöten (Konservierungsmittel). Celvapan
enthält kein Thiomersal.
- Der Impfstoff Focetria enthält neben einem Virusfragment den Wirkverstärker "MF59C.1".
Dieser enthält pro Dosis (0,5ml): Squalen (9,75 mg) sowie die Stabilisatoren Polysorbat 80
und Sorbitan-Trioleat (je 1,175 mg). Außerder enthält der Impfstoff das Konservierungsmittel Thiomersal (s.o.),
einige anorganische Natrium- und Kaliumsalze, Zitronensäure sowie destilliertes Wasser.
-
Squalen
kommt in vielen natürlichen Lebensmitteln (z.B. in Fisch- und Planzenölen) vor und wird auch im menschlichen
Körper produziert. Aber ausgerechnet wenn es injiziert wird, ist es möglicherweise nicht mehr ganz so harmlos.
Eine Studie aus dem Jahr 2000 in den USA hat bei Ratten, die für Arthritis empfänglich waren, nach Gabe einer
Dosis Squalen eine rheumatoide Arthritis festgestellt. Studien, die dies am Menschen bestätigen würden,
sind nicht bekannt.
- Anders als in einem stark verbreiteten Kettenbrief (basierend auf einer Mail einer Frankfurter Ärztin)
behauptet enthielt der im ersten Golfkrieg eingesetzte Impfstoff kein Squalen. Diese Impfung kann daher auch
nicht die Ursache (oder mitverantwortlich) für das so genannte "Golfkriegssyndrom" gewesen sein.
Besagte Ärztin hat dies inzwischen auf ihrer Website eingeräumt, hält jedoch Squalen weiterhin für eine
mögliche Ursache des Golfskriegssyndroms.
- Die Impfstoffe enthalten keine "Nano-Chips" - die gibt es nicht (es geht nicht um implantierbare
RFID-Chips). Es ist auch nicht plausibel, was die da sollten, woher die ihre Energie beziehen oder wie man später an die
angeblich darin gespeicherten Informationen kommen sollte. Nano-Chips oder -Partikel sind auch nicht (wie behauptet)
kleiner als ein Atom – ein Haus kann nicht kleiner sein als einer der Steine, aus denen es gebaut ist.
- ...
- wird bei Bedarf fortgesetzt...
Die Schweinegrippe-Pandemie ist inzwischen offiziell für beendet erklärt.
Mal sehen, was als Nächstes kommt...
Weitere Informationen zur Schweinegrippe:
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